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[Serienrezension] Tote Mädchen lügen nicht


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"Einige von euch waren bemüht. Niemand war bemüht genug. Nicht mal ich selbst."

STORY
Hannah Baker hat Selbstmord begangen. Das ist eine Tatsache, die Clay Jensen noch immer nicht versteht. Er hat sie geliebt - und er kann sich nicht erklären, was sie zum Suizid getrieben hat. Dann findet er eines Tages vor der Haustür ein Paket für ihn. Der Inhalt: 7 Kassetten, besprochen von Hannah. Auf jeder Kassettenseite befindet sich ein Grund für ihren Selbstmord, insgesamt sind es 13. Und Clay ist einer von ihnen...

MEINE MEINUNG
Natürlich habe auch ich, damals, den Roman von Jay Asher gelesen, der wochenlang auf den Bestsellerlisten stand und den sogar die Mitschüler kannten, die ein Buch sonst nicht einmal schief anschauten. Aber es ist eben auch ganz schön lange her, ich habe also einiges vergessen. Prinzipiell eigneten sich die 13 Kassettenseiten natürlich großartig für eine Serie mit 13 Folgen. Eine Kassenseite = eine Folge also. Für die Verfilmung eines Buches mit 300 Seiten war dieses Ziel aber teilweise zu hoch gesteckt. So konnten mich insbesondere die ersten 4 Folgen von "Tote Mädchen lügen nicht" noch nicht wirklich mitreißen - zu viel Sendezeit wurde mit dem ewig gleichen leeren Blick von Clay, seinem anstrengenden Trotz und den Streitereien zwischen den Jugendlichen gefüllt. Das bessert sich im Laufe der Staffel, trotzdem schleichen sich immer mal wieder Längen ein, die es in der Vorlage nicht gab.

Wett gemacht werden diese vor allem durch die vielseitigen Jungschauspieler. Die bisher unbekannte Katherine Langford spielt mit intensivem Feingefühl die schöne und mutige, aber auch verletzliche und teilweise egoistische Hannah, die so viel Schmerz empfindet und doch lange nicht die Hoffnung aufgibt. Clay habe ich in der Serie als deutlich anstrengender empfunden als im Buch: Sehr weinerlich und über lange Zeit auch anstrengend passiv gibt er gerne anderen die Schuld. Erst in den letzten Folgen gelingt es ihm, mit Eigeninitiative Sympathien zu gewinnen, und diese Wandlung stellt Dylan Minette gut dar. Kate Walsh als einziges wirklich bekanntes Gesicht ist als verzweifelte, verständnislose und wütende Mutter absolut glaubwürdig. Die Mitschüler von Hannah und Clay ließen sich leider schon im Buch wunderbar in Schubladen packen und das hat sich auch in der Serie nicht geändert: Mit dem Schulschwarm, dem Stalker, der Cheerleaderin und dem Latino werden so ungefähr alle Klischees bedient. Allerdings sind die Charaktere immerhin auch recht divers - definitiv ein Pluspunkt.

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Hannah am Ende ihrer Kräfte
Sowohl Buch als auch Serie beginnen mit den schwächeren Gründen für Hannahs Suizid und steigern sich dann immer mehr, alles nimmt jedoch nach der ersten, leider nicht letzten, Rufschädigung seinen Lauf. Diese ist gewissermaßen das Anfang vom Ende, danach geht es bergab. Beide Medien zeigen eindrücklich, wie stark sich so etwas auf die Psyche eines Menschen auswirken kann - und wie schnell die Anzeichen von ernsthaften Problemen übersehen werden können. Hannah wird so oft verletzt, so oft gedemütigt, und auch wenn sie sich mit ihrer Naivität und Suche nach Aufmerksam des Öfteren selbst in solche Situationen manövriert, gibt das dennoch niemandem das Recht, sie so zu behandeln. Absichtlich schonungslos zeigt die Serie all die schrecklichen Momente, die man im Buch nur erzählt bekommt, die Kamera wird nicht züchtig weggedreht oder die Dramatik heruntergespielt. Es wird drauf gehalten, bis es unangenehm wird, weil es unangenehm ist. Mobbing geschieht - nicht immer auf so drastische Weise wie hier, aber Suizid ist und bleibt leider die zweithäufigste Todesursache unter Jugendlichen.

Genau dafür wird sensibilisiert. Es fällt schwer, Hannah in ihrem Leid zuzusehen, und es ist sowohl für die Figuren als auch für den Zuschauer ein langsamer Prozess, das alles zu verkraften. Die Veränderung zum Schlechten, die Trauer und die Einsamkeit werden insbesondere durch Farbwechsel verdeutlicht: Während die Vergangenheit in warmen, hellen Farben erstrahlt, ist in der Gegenwart alles kalt und grau. Ein Kniff, der es einem nicht nur leichter macht, die Zeitebenen voneinander zu unterscheiden, sondern auch eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Allerdings, und das finde ich schade, wurde in die 13 Folgen dann doch wieder so viel reingepresst, auch einiges, was sich nicht im Roman findet - der Rechtsstreit, Clays Alleingänge, die Verschwörung der anderen Jugendlichen -, sodass die Zeit letztendlich nicht reicht, um alles aufzulösen. Der Schluss ist für meinen Geschmack zu offen durch die vielen unbeantworteten Fragen und hebt sich damit stark von dem des Buches ab. Das schreit nach einer 2. Staffel, was sich mit dem Konzept jedoch eigentlich nicht verträgt. Hier darf man wohl gespannt sein, was Netflix daraus macht.

FAZIT
"Tote Mädchen lügen nicht" hatte eine Verfilmung schon lange dringend nötig, um auch die Menschen für das Thema Mobbing zu sensibilisieren, die nicht lesen. Letztendlich ist die Serie etwas zu lang geworden, schafft es aber trotzdem, Hannahs Verzweiflung und die Umstände gefühlvoll, aber eindringlich zu porträtieren. Gute 4 Punkte.

ÜBRIGENS
Wer die Serie geschaut hat, sollte sich auch das darauffolgende "Behind the Reasons" nicht entgehen lassen, das eindrücklich von den Hintergründen und den Entscheidungen der Produktion berichtet, die dazu geführt haben, die Serie so zu drehen und nicht anders. Für etwaige Tränen wird nicht gehaftet.



  7 Kommentare:

  1. Ich bin mittlerweile mit meiner Mum bei Folge 8 angelangt. Sie wollte die Serie unbedingt mit mir gemeinsam anschauen und deshalb komme ich natürlich etwas langsamer voran, als sonst. Bisher gefällt mir die Serie aber auch gut. Ich habe damals in meiner Jugend ebenfalls das Buch gelesen, welches mir wirklich gut gefallen hatte. Ja es hatte seine Schwächen gehabt, aber ich fand die Botschaft sehr wichtig und ich finde, dass der Autor sehr gut den Nagel auf den Knopf getroffne hat. Denn er hat gezeigt, wie Dinge, von denen wir glauben, dass sie nicht so schlimm sind, Konsequenzen nach sich zieht und wie sich mehrere Dinge aufsummieren und dann zu so einer Tat führen.

    Die Serie hat definitiv ihre Längen, aber ich finde das jetzt gar nicht so schlimm. Gefallen haben mir auch die Änderungen im Vergleich zum Buch, denn dort hat es mir schon etwas gefehlt, dass die Auswirkungen auf die Teenager nicht beleuchtet wurden. Da macht die Serie einfach etwas mehr draus und ich finde es auch gut, dass wir auch sehen wie alle miteinander interagieren und auch die Personen dahinter kennenlernen. Gerade das man Hannahs Eltern und ihr Leiden zeigt, finde ich wichtig. Kate Walsh bringt mich mit ihrer Performance wirklich ständig zum weinen, sie spielt das grandios.

    Am meisten schockiert mich aber, das war schon beim Buch so, wie nah die Geschichte an der Realität ist. Es gibt immer wieder Dinge, die habe auch ich schon erlebt oder die kommen mir, in leicht abgewandelter Form, bekannt vor. Ich muss ziemlich oft über früher erlebtes nachdenken und bin nur noch dankbarer, dass ich Menschen hatte, die immer zu mir gehalten und mich verteidigt haben. Und trotz dieser Unterstützung saß auch ich in der Jugend weinen zu Hause, wegen blöden Sprüchen oder Kommentaren. Heute lache ich darüber, damals hat mich das tief verletzt ,weshalb ich mit Hannah mitfühlen kann.

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    1. Danke auch für dein liebes Kommentar.
      Dankeschön für die lieben Worte <3. Dann hoffe ich mal, dass ich dir Mut machen kann. Mir ging es ja ganz genauso wie du, ich habe wirklich sehr lange darüber nachgedacht, viele Erfahrungsberichte gelesen und mich intensiv informiert. Irgendwann war der Moment dann für mich einfach richtig, ich hatte zwar immer noch Angst welche Nebenwirkungen mich erwarten, aber ich glaube die hat jeder. Bereut habe ich es wie gesagt bisher nicht und ich hatte mir das alles auch wesentlich schlimmer vorgestellt, aber jeder Körper ist da anders.

      Also ich hatte wie gesagt mein Blut untersuchen lassen und bei mir waren die Werte da alle perfekt, denn es muss wie du gesagt hast, nicht an der Pille liegen, sondern an einem Mangel. Kann dir nur raten, einfach mal ein Blutbild machen zu lassen, dann weist du dahingehend bescheid. Bei mir blieb dann nur noch die Pille als Ursache übrig. Woran du es aber auch merken könntest, wäre wenn du in den Pillenpausen immer fitter bist, als während der Einnahme. Das war bei mir nämlich auch schon immer der Fall und das ist dann imer das Anzeichen, dass etwas von der Pille kommen könnte. Dem trauere ich aber auch hinterher, dass ist für mich auch der einzige Nachteil. Beziehungsweise spielt der sich ja auch irgendwann wieder ein und bekommt auch einen normalen Ryhtmus, nur dauert das halt dann erstmal etwas, aufgrund der Umstellung. Schmerzfrei war er bei mir ja leider noch nie, somit ändert sich da nicht viel.

      Das habe ich auch gelesen, jedoch bekommen ja viele die Pille als Mittel gegen Akne verschrieben und wenn man sie absetzt wird die Haut ja auf den Stand vor der Einnahme zurückversetzt. Habe da aber generell unterschiedliches gelesen, manche hatten da echt starke Probleme, ander wiederum gar nicht. Liegt sicherlich auch daran, wie die Haut vor der Einnahme war. Bei mir hatte die Pille wie gesagt den größten Effekt auf meine Haare und genau da habe ich nun auch wieder die Probleme, die ich vor der Einnahme hatte.

      Vom Wohlbefinden her bin ich sehr glücklich über die Entscheidung. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob dir meine Beiträge am Ende dann weiterhelfen und dir Mut machen. Musst mir unbedingt bescheid geben, falls du dich doch für dich Absetzung entscheidest.

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    2. Mittlerweile hast du ja schon deine eigene Rezension bzw. deine sechs Gründe zur Serie verfasst und ich glaube, dir hat sie sogar besser gefallen als mir, richtig? ;)

      Aber ich sehe das genau wie du: Sowohl Buch als auch Film zeigen sehr deutlich, welche Auswirkungen Sticheleien, Ausgrenzungen und Beleidigungen auf die Psyche haben können und wie sich da eines ins andere ergibt.

      Du hast durchaus Recht, dass auch näher auf die anderen Personen, ihre Hintergründe und eventuellen Schuldgefühle eingegangen wird, fand ich ebenfalls toll - besonders Alex kam mir so viel, viel näher. Trotzdem fand ich besonders in den ersten 5 Folgen vieles zu stark ausgewalzt für die teilweise doch eher dünnen Gründe - nur weil Jessica nicht mehr ihre Freundin war, bspw., hat sie nun nicht wirklich zum Selbstmord beigetragen.

      Und mit Hannah konnte ich auch definitiv mitfühlen - insbesondere einfach durch das grandiose Spiel von Katherine Langford.

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  2. Sehr schöne Rezension! Tatsächlich stimme ich dir in allen Punkten zu. Die Serie ist wunderbar, weil sie so schonungslos die hässlichen Seiten der Schulzeit oder gar der Menschheit zeigt, aber sowohl der langsame Einstieg (ein wahres Momentum-Problem, wie ich finde) als auch das offene Ende haben mich ebenfalls gestört. Nichtsdestotrotz kann ich die Serie auch nur empfehlen; die Mankos haben auf den emotionalen Wert keinen schädlichen Einfluss für mich gehabt.

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    1. Ich danke dir! Toll, dass wir hier einer Meinung sind. Ich habe auch vielen davon erzählt, weil ich das Thema einfach für so wichtig halte - es wird noch viel zu sehr totgeschwiegen, obwohl es doch immer wieder aktuell ist. Trotzdem hätte der Serie die ein oder andere Kürzung gut getan. Berührt hat sie mich jedoch ebenfalls nichtsdestotrotz :)

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  3. Deine Rezension ist klasse!
    Ich habe noch nicht in die Serie hineingeschaut, da ich mir am Ende doch etwas unsicher war, ob sie etwas für mich sein wird. Nach deiner Rezi werde ich es aber auf jeden Fall mal versuchen, denn es hört sich interessant an und das Thema ist sehr wichtig.

    Ich bin gespannt, wie es mir gefallen wird, das Buch mochte ich damals, hatte aber auch einige Probleme damit.

    LG

    Effi

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    1. Ich danke dir und ich freue mich, dass ich dich davon überzeugen konnte, es zu versuchen. Die Serie geht sehr intensiv, aber auch sensibel mit dem Thema um und vermittelt die Geschichte realistisch wie fesselnd. Probleme wirst du sicherlich auch hier mit der Serie haben - wie ich sie auch sowohl in Buch als auch Adaption gesehen habe -, aber die positiven Aspekte überwiegen meiner Meinung nach.

      Ich hoffe, die Serie wird dir gefallen!

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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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