[Buchrezension] Fuchsnacht - Julia Mayer
Peter Pan nimmt meine Hand und führt mich fort ind das Land, in dem Träume blühen und in dem niemand jemals erwachsen werden muss. Ich sehe die wiegenden Kronen der Bäume unter mir hinweg ziehen, als wäre ich ein Adler, der seine weiten Schwingen ausbreitet. Endlich legt sich die Nacht wie eine Decke über mich und wickelt mich in einen Kokon.
Zum ersten Mal in meinem Leben lauern in der rabenschwarzen Nacht weder Schnäbel noch Krallen, die sich in mein Fleisch bohren. Samtweich treibe ich im Nichts. Jeder Funke Erwartung und Druck fällt von mir ab, meine Knochen lösen sich auf, mein Körper zerfließt in tausend Staubkörner. Nichts spielt mehr eine Rolle - friedvolle Gleichtgültigkeit hält in mir Einzug.
Sterben ist zu leicht. Es ist das Leben, das unendlich viel wiegt.
Emil ist ein schmächtiger Teenager von 15 Jahren ohne Freunde und mit einem psychisch kranken Vater, um den er sich kümmern muss. Als wäre das nicht schon schlimm genug, versuchen sich auch noch sein Onkel und seine Tante in sein Leben einzumischen. Eines Tages hält er es nicht mehr aus und beschließt, wegzulaufen und seine Mutter zu suchen, die die Familie vor vielen Jahren im Stich gelassen hat. Doch in einer U-Bahn-Unterführung kommt es zu einem tragischen Unfall, und Emil stirbt. Nicht für lange allerdings - denn er erwacht als Fuchsdoppel: Bei Nacht ist er Mensch, tagsüber ein Fuchs. Mit dieser neuen Realität muss er sich erst einmal abfinden. Neue Freunde, ebenfalls Fuchsdoppel, helfen ihm dabei. Aber als einer von ihnen verschwindet, wird deutlich, dass im Dunkeln eine unbekannte Bedrohung lauert...
MEINE MEINUNG
In Julia Mayers erstem Buch rund um die Tierdoppel, damals noch bei Amazons CreateSpace erschienen, ging es um Rehe. "Fuchsnacht" hat nun ein Zuhause im Drachenmond-Verlag gefunden, und dieses Zuhause kann sich sehen lassen. Dieser Band rund um die Fuchsdoppel kann komplett unabhängig gelesen werden, trotzdem würde ich jedem auch die berührende Geschichte aus "Rehruf" ans Herz legen. Deutlich wird jedoch von Anfang an, dass sich der Schreibstil der Autorin seit 2015 weiter entwickelt hat - die Formulierungen sind noch etwas sauberer geworden und die Dialoge glaubwürdiger. Die Beschreibungen und Geschehnisse sind oftmals so traurig und bedrückend wie im Vorgänger, aber es gibt auch lichte Momente.
Emil ist als männlicher Protagonist ein ungewöhnlich schwacher Charakter. Er ist noch sehr jung, was man ihm auch anmerkt, und er hat es nicht leicht mit seinem psychisch kranken Vater und dem gewalttätigen Onkel. Seine Unsicherheiten sind daher durchaus nachzuvollziehen. Allerdings hat er mir trotzdem zu viel geweint - selbst nachdem er seine Stärke gefunden und angefangen hat, für sich zu kämpfen, bricht er extrem oft in Tränen aus. Dafür konnten mich die anderen drei Fuchsdoppel, mit denen er sich anfreundet, sehr begeistern: Timon ist anfangs nicht begeistert davon, einen Frischling durchzufüttern, zeigt aber bald seine weiche Seite. Kara ist wunderbar liebevoll und eine echte Sympathieträgerin. Biggers bleibt zwar blass, weil er so schweigsam ist, aber wer gut kochen kann, den mag ich sowieso.
Obwohl "Fuchsnacht" ein Fantasy-Roman ist, geht es auch sehr viel um zwischenmenschliche Probleme und wie schon im Vorgänger um Verlust und Tod. Die erste Hälfte dreht sich überwiegend um Emils Versuch, sich mit dem neuen Leben anzufreunden und um seine erste Liebe - eine homosexuelle, die sehr sensibel und gefühlvoll aufbereitet wird. Danach jedoch wird das Buch überraschend düster und teilweise schon geradezu brutal, denn nicht alle Fuchsdoppel haben nur Gutes im Sinn. Das Motiv der Gegenspieler ist mir nicht recht klar gewesen, aber nichtsdestotrotz entsteht eine bedrückende Atmosphäre, die nicht loslässt. Zwei größere Kontinuitätsfehler (in denen beispielsweise davon gesprochen wird, in zwei Stunden ginge die Sonne auf, nur um dann noch eine vierstündige Fahrt plus mehrere Stunden Schlaf bis dahin verstreichen zu lassen) und ein paar Logiklücken stören ein wenig den Lesefluss, aber die Pluspunkte überwiegen. Am Ende ist nicht alles gut, was sehr realistisch wirkt und zur Geschichte passt - auch wenn ich mir vielleicht ein paar mehr Lichtblicke gewünscht hätte.
FAZIT
Julia Mayers zweiter Roman ihrer Fuchsdoppel-Reihe dreht sich nun um einen männlichen Protagonisten, der es in seinem Leben bisher nicht einfach hatte - und auf den auch nach seiner Verwandlung zum Tierdoppel noch einige Gefahren warten. "Fuchsnacht" wird zum Ende hin überraschend düster, verpackt dies aber zumeist glaubwürdig und fesselnd. Knappe 4 Punkte.
Meine Empfehlung für Fantasy-Leser, die auch einer eher düsteren Erzählung nicht abgeneigt sind.
Das Buch klingt toll, denn es muss ja nicht immer alles so einfach und schön sein :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Sina