[Buchrezension] Wenn du mich siehst - Tara Hudson
Er lächelte und streckte unvermittelt die Hand aus, um sie mir auf die Wange zu legen. Ich spürte seine Haut warm auf der meinen. Unwillkürlich legte ich meine Hand auf die seine. Sein Lächeln wurde breiter, als ich ihn berührte.
Er sah mich!
Er sah mich, er sah mich, er sah mich.
Mein regloses, nicht schlagendes Herz tat einen Sprung. Und dann tat seines das Gleiche.
Amelia lebt schon lange als Geist in der Welt der Lebenden, kann aber nichts ausrichten und ist nur einsam zwischen den Albträumen ihres Todes und dem ziellosen Umherwandern gefangen. Bis sie eines Tages beobachtet, wie ein Junge von einer Brücke in den sicheren Tod stürzt - und ihn tatsächlich vor dem Sterben bewahrt. Von nun ist nichts mehr wie es war - denn Joshua kann sie sehen und sogar berühren! Amelia ist überglücklich, hat sie doch endlich jemanden gefunden, mit dem sie sprechen kann. Doch dann tritt noch jemand anderes in ihr Leben, jemand, der sie ebenfalls sieht und der sie für immer besitzen will...
Die Buchaufmachung:
Das Cover des Buches finde ich persönlich wunderschön. Zwar ist auch hier wieder ein Mädchengesicht zu sehen, allerdings sehr schön in Szene gesetzt, indem man nur die untere Hälfte erkennen kann und indem es sich unter den Titel noch einmal ganz leicht spiegelt. Das blaue Band, das sie durch die Hälfte zieht, könnte das Wasser unter der High Bridge Road darstellen, das ja eine wichtige Rolle spielt.
Meine Meinung:
Ich hatte sehr hohe Erwartungen an dieses Buch, schließlich habe ich sehr lange darauf gewartet und noch vor dem eigenen Lesen viele positive Rezensionen dazu angeschaut. Doch so ganz kam das Lesevergnügen dann doch nicht an meine Hoffnungen heran.
Zum ersten hat mich an der Geschichte gestört, dass Amelia überhaupt nicht wie ein richtiger Geist wirkt. Es wird zwar immer und immer wieder betont, dass sie nicht atmen kann und nicht menschlich ist, aber trotzdem tut sie Ersteres andauernd. Mal keucht sie heftig, weil ihr eine Erkenntnis gekommen ist, mal schnappt sie nach Luft, mal zieht sie zitternd die Luft ein. Ein-, zwei Mal, das hätte ich noch okay gefunden. Aber sie tut das wirklich so oft, dass sie mir oftmals überhaupt nicht mehr geisterartig erschien. Ebenso kann sie nämlich auch Joshua berühren, sie läuft anstatt zu schweben und sie kann nicht durch Wände gehen. Zwar unterscheidet sie das so alles sehr von den Geistern anderer Geschichten, aber es nimmt dem Ganzen auch ihre Besonderheit.
Ansonsten ist Amelia eine ganz nette Protagonistin. Ich konnte mich die meiste Zeit über sehr gut mit ihr identifzieren und ihre Gedankengänge nachvollziehen, wenn sie auch manchmal etwas naiv war. Woran man sich als Leser aber erst einmal gewöhnen muss, ist dieser Misch-Masch aus jugendlicher wörtlicher Rede und veralteter Schreibweise. Der hat mich zwischendurch ganz schön genervt - entweder das eine oder das andere, aber nicht beides.
Joshua ist ebenfalls ganz nett, auch wenn er für mich immer ein wenig blass war - ich konnte ihn mir einfach nicht richtig vorstellen. Seine Taten sind energisch und leidenschaftlich, er ist verständnisvoll und ein toller Zuhörer - kurzum, der perfekte Freund und das hat es für mich so schwierig gemacht, ihn richtig zu fassen. Er ist meiner Meinung nach einfach ein bisschen zu perfekt.
Der Spannungsbogen des Buches ist Tara Hudson recht gut gelungen - sie wirft den Leser gleich in die Geschichte hinein und lässt ihn dann in der Welt und den Empfindungen von Amelia versinken. Zwischendurch plätschert die Geschichte so vor sich hin, wenn sich die beiden Protagonisten gegenseitig anschmachten und das ewig wiederholte Brennen, das sie spüren, wenn sie sich anfassen, wieder einmal aufgegriffen wird. Der Showdown ist spektakulär, jedenfalls zu Anfang, dann wird jedoch nur noch geredet und eine richtig gute Lösung kam für mich dabei jetzt nicht zutage - irgendwie schien es mir so, als hätte Amelia sich nur für den Moment gerettet.
Die Nebenfiguren kamen im Grunde zu selten vor, als dass man viel über sie aussagen könnte - der Konflikt ist Joshuas Großmutter versandete mehr oder weniger, da hätte noch mehr rausgeholt werden können. Einzig Bösewicht Eli hat mir in seinem Wahnsinn und seiner Machtbesessenheit richtig gut gefallen, er ist der Autorin sehr gelungen.
Mein letzter Kritikpunkt sind die unlogischen Aspekte, die sich durch das gesamte Buch ziehen - natürlich ist dies ein Debütroman, das ist mir klar, trotzdem hätte darauf geachtet werden können. So wird Joshua beispielsweise nach seinem Autounfall direkt am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen. Oder seine Großmutter, obwohl jahrelang hinter ihm her, tut nichts, um Eli die Stirn zu bieten und ihre Enkelin zu retten. Allerdings sind diese Aspekte nicht so schwerwiegend, dass sie einen die gesamte Zeit hindurch stören.
Fazit:
Ein netter Debütroman, der aber noch so einige Schwächen aufweist. Weil mit der Schreibstil, der Bösewicht und die Story aber ganz gut gefallen haben, vergebe ich noch 3,5 Punkte.
Das Buch auf der Verlagswebsite: Klick
Meinen herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!
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