[Buchrezension] Wolfszeit - Nina Blazon
Bevor sie reagieren konnte, schnellte der Kolben am Holz hoch und traf ihre Wange. Sie taumelte zur Seite und stürzte. Vor ihr vollführten Bäume, Felsen und Haus einen verrückten, schwankenden Tanz. Und in der schwarzen Fensteröffnung tanzte ein Gesicht mit. Sie kannte es gut. Und es war nicht das von Thomas.
Thomas Auvray kommt von Versailles in den Gévaudan, um das Verhalten der Bestie zu studieren, die dort schon seit Monaten wütet und die Jäger an der Nase herumführt: Sie lässt Fallen zuschnappen und taucht immer wieder innerhalb kürzester Zeit an verschiedenen Orten auf. Thomas quartiert sich im Schloss von Besset ein und trifft dort eines Tages auf Isabelle, die sofort eine ungeahnte Faszination auf ihn ausübt - und die einen Angriff des Tieres überlebt hat. Mit ihrer Hilfe kommt er einigen Dingen auf die Spur und der Aufdeckung der Vorgänge immer näher. Doch dann verschwindet Isabelle...
BUCHAUFMACHUNG:
Auf dem beige-braunen Hintergrund des Covers ist ein sehr schöner, brauner Wolf abgebildet, der zum Titel passt, aber nicht so recht zum Inhalt - schließlich ist ja im Grunde von Anfang an klar, dass es sich nicht um einen normalen Wolf handelt. Die Verschnörkelung unter dem Tier gibt der Gestaltung das gewisse Etwas und besteht aus Dornenranken, bei denen ich gleich daran denken musste, wie Thomas in der Geschichte darin landet.
Im Buch selbst findet sich eine anschauliche und hilfreiche Karte der Gebiete, in denen das Buch spielt.
MEINE MEINUNG
Nina Blazon gehört mit Fug und Recht zu meinen Lieblingsautorinnen, weshalb ich mich natürlich umso mehr gefreut habe, ihr neustes Werk lesen zu dürfen. Schon der Klappentext klingt toll - die Geschichte der Bestie des Gévaudan neu erzählt. Das Werk ist keines ihrer Fantasybücher, sondern mehr ein Historienthriller, weiß dabei aber genauso zu fesseln.
Der Roman beginnt recht langsam und erzählt von Thomas' Leben in Versailles, seiner Reise in den Gévaudan und seiner Arbeit dort, die anfangs allerdings hauptsächlich aus dem Zeichen von Pflanzen besteht, beziehungsweise bestehen soll. Von Anfang an jedoch ist seine Neugier zu groß, um tatenlos herumzusitzen und so stellt er Nachforschungen an und versucht, die Tathergänge zu rekonstruieren. Ab da kommt Spannung auf, denn die Beschreibungen der Toten sowie der einzelnen Fälle sind sehr genau recherchiert und oftmals nicht fiktiv. Die Ermittlungsarbeit geht langsam voran, doch Thomas entdeckt immer wieder Details, die darauf hindeuten, dass es nicht nur ein Tier ist, das mordet...
Der Protagonist ist ein sympathischer Charakter, der einem sehr schnell ans Herz wächst mit seinem Wissensdurst, seiner Neugierde und seiner Cleverness. Auch wenn es mir zwischenzeitlich etwas weit hergeholt erschien, wie er auf manche Dinge kam - auch wenn der Teufel im Detail steckt - so bleibt er doch die gesamte Zeit über glaubwürdig und realistisch, seine freundliche, zuvorkommende Art ließen mich gern von ihm lesen. Auch Isabelle ist eine interessante Person, sie kann verletzlich sein, aber auch stark und unerschütterlich. Ihre Liebe zu Thomas wirkte von Anfang an ehrlich, genau wie sie selbst. Schade fand ich nur, dass ich nicht mehr aus ihrer Sicht lesen durfte.
Die Nebencharaktere haben mir hier allerdings am besten gefallen - besonders der Syndicus Lafont, der anfangs so verbittert und unfreundlich erscheint, sich aber zu einem echten Vertrauten entwickelt. Jeanne de Vaubernier, spätere Mätresse des Königs und hier eine gute, absolut erfrischende Freundin von Thomas mochte ich sehr. Und auch Bastien und Adrien, eigentlich sympathische und liebenswürdige Figuren, konnte ich gut leiden, aber bei beiden ist man sich nie ganz sicher, woran man ist. Denn hier gilt: Nicht alles ist, wie es scheint...
Nina Blazon führt den Leser geschickt immer wieder auf falsche Fährten, indem sie Thomas zwischendurch falsche Schlüsse ziehen lässt. Ich ahnte zwar etwas, weil mir die präsentierte Lösung zu einfach erschien, dennoch schafft sie es, dass man sich nie ganz sicher sein kann. Die Liebesgeschichte zwischen Isabelle und Thomas gibt dem Roman einen fröhlichen Aspekt, der von den Gräueltaten und den Morden etwas ablenkt. Die beiden passen toll zueinander und sind ein wirklich, wirklich schönes Paar - trotz der Komplikationen -, dennoch ging es mir anfangs etwas zu schnell. Dass Thomas nach einem Treffen schon an nicht anderes mehr denken kann, war mir ein bisschen zu viel des Guten.
Zum Ende hin nimmt die Geschichte noch einmal an Fahrt auf, immer mehr Geheimnisse werden aufgedeckt, immer näher kommt Thomas der Lösung. Das muss er auch, denn Isabelle ist verschwunden und er muss sie finden - wird dabei aber zuerst auf eine falsche Fährte geführt, die ich schon erahnt hatte. Die Autorin schafft es, Fakten und Fiktion so zu vermischen, dass sich ein fesselndes Gewirr von undurchschaubaren Aspekten ergibt. Ich war letztendlich doch überrascht vom Täter und auch vom Ausgang der Geschichte, was mir nicht allzu oft passiert. Besonders interessant ist zum Schluss auch das Nachwort zu lesen, indem sie erläutert, was belegt ist und was ihrer Fantasie entsprang.
FAZIT
Nina Blazons neuer Roman "Wolfszeit" ist wieder spannend, gefühlvoll und mitreißend, diesmal historisch angesiedelt und beinahe komplett ohne Fantasy [wenn man von einigen Märchen absieht]. Er fesselt durch seine tollen Charaktere, den guten Plot und die überraschende Auflösung. 4,5 Punkte aufgrund von ein paar kleinen Kritikpunkten - und eine volle Empfehlung!
Originaltitel: -
Reihe: Nein
Autor: Nina Blazon
Übersetzer: -
Verlag: Ravensburger
Seitenzahl: 576 Seiten
ISBN-13: 978-3473400706
Also ich empfehle dir ganz dringend das Buch von Jilliane Hoffman zu lesen, das bei dir rumliegt. Ihre Bücher konnten mich echt restlos überzeugen.
AntwortenLöschenSchade dass du von Simon Beckett enttäuscht warst. Was hast du denn von ihm gelesen? Die David-Hunter-Reihe finde ich klasse!
Und Ildiko von Kürthy bringt mich immer wieder herzlich zum Lachen. Aber da muss man wahrscheinlich den Humor mögen! ;)
Mich hingegen reizen Bücher wie das von dir hier rezensierte "Wolfszeit" gar nicht, auch wenn du es gut bewertest. So sind Geschmäcker eben :D