[Buchrezension] Die Mechanik des Herzens - Mathias Malzieu
Ich habe das Mädchen mit der Vogelstimme geküsst, und nichts ist mehr, wie es war. Meine Uhr pulsiert wie ein brodelnder Vulkan. Schmerzen habe ich keine. Doch, ich habe ein leichtes Seitenstechen. Aber das ist ein geringer Preis für den Glücksrausch, der gewaltiger und wunderbarer ist als alles, was ich mir je vorgestellt habe.
Heute Nacht erklimme ich den Mond, mache es mir auf seiner Sichel gemütlich und träume mit offenen Augen vor mich hin.
Als Kind wird Jack mit einem sehr schwachen Herzen geboren. Doktor Madeleine, überall als "Hexe" verschrien, setzt ihm zur Hilfe eine Kuckucksuhr ein und verbindet die Zahnräder mit seinen Arterien. Von nun an lebt er mit diesem Mittel und kann sich trotz seines kranken Herzens beinahe fühlen wie ein normaler Junge. Doch als er auf dem Markt der kleinen Sängerin Miss Acacia begegnet, wird es gefährlich: Denn vom ersten Moment an liebt er das Mädchen. Und seine Uhr kann mit diesem stärksten, schönsten aller Gefühle und den damit verbundenen Qualen nicht umgehen...
Buchaufmachung:
Die Gestaltung dieses Romans ist wohl eine der schönsten und vor allem detailreichsten in meinem gesamten Regal. Die gemalten Figuren auf dem Cover zeigen Jack und die Sängerin, an seiner Brust sieht man ein Stück des Zahnrads. Durch den dunklen Hintergrund wird die Melancholie der gesamten Geschichte deutlich und sogar der Titel ist besonders, denn einige Buchstaben weisen Einzelheiten wie einen wie einen Schlüssel oder Uhrzeiger auf. Eingebunden sind die Seiten in ein raues Material, das ebenso anders wie passend ist. Rundum gelungen - wunderschön!
Meine Meinung:
Sowohl das Cover als auch der Klappentext faszinierten mich von Anfang an, denn eine Erzählung wie diese habe ich bisher noch nie genießen dürfen. Gespannt machte ich mich also an die Lektüre, voller Erwartungen - die auch zum größten Teil gehalten werden konnten.
Mathias Malzieus Roman fällt von Anfang an durch die melancholische, poetische Sprache voller bildgewaltiger Metaphern auf. Seine Beschreibungen sind unvergleichlich schön und lösen beim Leser ein Gefühl der Trauer und gleichzeitig des Glücks aus. Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive des Protagonisten Jack, der schon seit kurz nach seiner Geburt eine Uhr zur Unterstützung seines Herzens in sich trägt. Mit dieser Ausgangssituation konfrontiert, sind starke Gefühle wie Wut oder Liebe ein Verhängnis...
Jack ist ein gefühlvoller Held, sensibel, klein, irgendwie knuddelig. Seine Gedankengänge sind zumeist sehr ruhig und ausgeglichen, sein Leben ist bestimmt von seiner Angst um die Uhr. Daher versucht er immer, allem aus dem Weg zu gehen - doch als er eine kleine Sängerin trifft, beginnt er, innerlich zu wachsen, denn was immer seine Adoptivmutter sagt: Dieses Mädchen ist seine große Liebe. Miss Acacia hingegen war mir nicht unbedingt sympathisch. Am prägnantesten im Gedächtnis bleibt von ihr vor allem, dass sie so eitel ist, dass sie keine Brille tragen will, obwohl sie so schlecht sieht. Diesen Aspekt empfand ich als sehr interessant, ansonsten allerdings wirkte sie mir zu lieblos und zu hart gegenüber dem gefühlvollen Jack.
Die Nebenfiguren zeichnen sich insbesondere durch Taten und wenig durch Eigenschaften aus, was auf 192 Seiten auch nicht wirklich verwunderlich ist. Joe ist Jacks Erzfeind und Nebenbuhler, auch er liebt Acacia und wird nur in den Momenten mit ihr ein guter Mensch - ansonsten ist er verbittert und gewalttätig. Gut gefiel mir der Magier und Uhrenmacher Meliés, der den Jungen auf seiner Reise begleitet und immerzu für ihn da ist. Getrieben von seinem Wunsch, seiner großen Liebe einen Flug zum Mond zu schenken, stürzt er sich in allerlei Basteleien. Seine freundliche und zuvorkommende Art macht ihn sehr sympathisch.
Dass in einem so kurzen Büchlein keine richtig komplexe Geschichte oder gar gut ausgefeilte Charaktere entstehen können, ist logisch. Dennoch hätte ich mir von dem Autor mehr Seiten gewünscht, denn dann hätte mich der Roman vielleicht noch ein bisschen mehr fesseln können. So war ich zwar gebannt von der wunderschönen Sprache voller Vergleiche und Poesie, ebenso von der Geschichte um die Macht der Liebe, dennoch nahmen mich die Emotionen nicht gefangen. Dafür ging mir vieles zu zu schnell und zu rasant. Außerdem konnte ich die Liebe von Jack zu Miss Acacia zu wenig nachvollziehen - er gibt so viel für sie auf, liebt sie ohne Vorbehalte und wird dennoch nur zurückgestoßen. Das störte mich zwischenzeitlich doch sehr, auch wenn so auf den Schluss hingearbeitet wird.
Durch seine Angst vor dem Versagen seiner Uhr verliert Jack langsam das Ziel vor Augen: Mit Miss Acacia eine Familie gründen und glücklich werden. Er hat so vieles verloren, aber er kann sich und seine Gefühle nicht bremsen. Und er weiß genau: Will er sie nicht verlieren, muss er um seine Geliebte kämpfen, egal auf welche Weise. Mit diesen Aspekten arbeitet Mazieu langsam auf ein gleichzeitig überraschendes wie erwartetes Ende zu, in dem er noch einmal seine gesamte Wortgewalt offenbart. Der Epilog, stimmt nachdenklich und lässt den Leser, wie schon während der gesamten Lektüre, melancholisch zurück - wirkt aber auch leicht konstruiert und kann damit nicht vollständig überzeugen.
Fazit:
"Die Mechanik des Herzens" beeindruckt durch eine wunderbare Idee und einen zauberhaften Schreibstil, kann aber durch die Kürze in Sachen Ausgefeiltheit und Charaktere nicht unbedingt punkten. Mir war insbesondere das Ende zu konstruiert und die große Liebe Jacks zu unsympathisch. Dennoch ein schön zu lesendes Buch voller Poesie und Metaphern. 4 Punkte!
Kaufen? Kaufen!
Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!
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Hört sich wirklich nach einer interessanten Idee an!
AntwortenLöschenGrüß Dich, Sonne!
AntwortenLöschenFix hast Du Dein Versprechen eingehalten und die Rezi geschrieben.
Tragische, weil unerfüllte Liebe, ist seit der Ewigkeit ein großes Thema. Im Kleinen wie im Opus. Die tragischen Elemente sind es dann auch, die mich in besagtem Büchlein interessieren können.
Wie Du Jack beschreibst, erscheint er mir ein wenig wie Don Quichote, der ebenso von einer Holden beseelt ist, die nichts von ihm wissen will.
Die Filmrechte sind verkauft und so könnte uns der Stoff also nochmals begegnen.
Da Du eine solche Art der Erzählung noch nicht oft gelesen hast - sagt Dir Gaimans "Coraline" etwas?
Dank Deiner Rezi kann ich ja jetzt meinen Buchhändler aufsuchen :-)
bonté
@Katie:
AntwortenLöschenIst auch eine sehr interessante Idee und besonders eine interessante Ausführung ;)
@RoM:
Nun, tragische Liebe ist ja nun auch die Schönste, oder nicht? :) Man denke nur an "Tristan & Isolde", meiner Meinung nach die schönste solcher Geschichten.
Dass aus diesem Buch ein Film werden soll, habe ich auch schon gehört - aber ich kann mir so überhaupt nichts dabei vorstellen! Ich bin mal gespannt...
Und ja, von "Coraline" habe ich auch gehört, aber das hat mich nie angesprochen, als Film mag ich kaum Animiertes. Und diese Knöpfe...gruselig! ;)
Solltest du dir das Buch tatsächlich zulegen, wünsche ich dir viel Vergnügen bei der Lektüre!
Hach, wieder mal eine wunderschöne Rezension! Das Buch interessiert mich auch sehr und irgendwann werde ich es mir besorgen. Die Story klingt nämlich höchst interessant/anders und trotz deiner Kritikpunkte denke ich schon, dass ich mich hier verzaubern lassen könnte. *Neugierig bin*.
AntwortenLöschenLG, Reni
@Reni:
AntwortenLöschenIch würde mal sagen, dass du es unbedingt ausprobieren solltest, denn schön ist es allemal. Und vor allem etwas völlig anderes! Begeistert ja zur Zeit ziemlich viele Leser ;)