[Buchrezension] White Horse - Alex Adams
In diesem Moment greift das Schicksal ein und lässt mich in ein Loch stolpern. Mein Knöchel knickt um. Ein heftiger Schmerz jagt durch mein Schienbein, und ich falle. Das Letzte, was ich sehe, ist eine Frau, die aus der Schwärze taucht, mit schrecklich vernarbtem Gesicht und wild flatterndem Haar.
Die Medusa von Delphi.
Die Welt wie wir sie kannten steht am Abgrund. Eine schreckliche Seuche hat 90% der Menschheit dahingerafft. 5% sind immun. Und 5% Monster. Dennoch macht sich Zoe auf den langen Weg von Amerika nach Griechenland, auf der Suche nach dem Vater ihres ungeborenen Kindes. Doch nicht nur die lauernden mutierten Monstern lauern ihr auf - auch von den Menschen selbst geht große Gefahr aus. Und Zoe kann sich nicht sicher sein, ob sie es schafft...
BUCHAUFMACHUNG
Das düstere Cover mit dem Mädchen, das seitlich zum Betrachter auf einem verlassenen Platz steht, gibt die Stimmung des Buches perfekt wieder. Auch der sich abzeichnende Regen besitzt einen Bezug zur Geschichte. Auf der Rückseite ist dasselbe Motiv zu sehen, nur steht die junge Frau, wahrscheinlich Zoe, dieses Mal abgewandt. Besser geht kaum!
MEINE MEINUNG
An "White Horse" hatte ich aufgrund der Story, der aufwendig gestalteten Webseite und der Unmengen an positiven Rezensionen arg hohe Erwartungen und dementsprechend auch befürchtet, dass es diese nicht würde halten können. Meine Angst war jedoch unbegründet: Denn Alex Adams zeigt uns mit ihrem Debüt, dass es auch noch innovative Dystopien gibt.
Die Geschichte wird geprägt von düsteren Beschreibungen, verstörenden Metaphern und beunruhigenden Gedankengängen. Zoe erzählt dem Leser aus der Ich-Perspektive im Präsens die Ereignisse, was es einem unmöglich macht, der Grausamkeit zu entgehen. Unterteilt ist das Buch in 3 Teile darin in den einzelnen Kapitel in "Damals" und "Jetzt". So wird der Leser einerseits in die völlig veränderte Welt hineingeworfen, bekommt andererseits allerdings auch nach und nach die Details der Katastrophe geliefert, was die Spannung nie abebben lässt: Schließlich möchte man unbedingt wissen, was genau geschehen ist.
Zoe ist reine realistisch dargestellte Protagonistin, mit der man sich so gut wie immer identifizieren kann. Ihre Gefühle versucht sie wegzuschließen, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Dennoch ist sie sensibel und setzt sich für ihre Mitmenschen ein, besitzt aber auch einiges an Stärke und weiß sich in vielen Situationen zu helfen. Andererseits wirkt sie manchmal schlicht zu gut, etwa, wenn eine Weggefährtin sie so sehr an ihre Schwester erinnert, dass sie ihr nichts vorwirft und ihr alles durchgehen lässt. Der Mann, nach dem sie auf der Suche ist, ihre große Liebe Nick, lässt den Leser etwas zwiegespalten zurück. Er ist sympathisch und die Gefühle für Zoe wirken echt, aber er ist zwischenzeitlich auch sehr abweisend und fast schon kalt. Gleichzeitig kann man dies aufgrund seiner vielen Verluste und dessen, was er mit ansehen musste, auch nachvollziehen.
Auf ihrem Weg nach Griechenland begegnet Zoe einigen Menschen und findet so Weggefährten, die aber alle nur für kurze Zeit bleiben. Da ist der namenlose Schweizer, der sie zwar verteidigt, allerdings grausame Fantasien hegt, kaltblütig mordet und offensichtlich verrückt ist. Oder die naive Lisa, die von ihr vor ihren Verwandten gerettet wird, aber dennoch nie besonders viel Dankbarkeit zeigt und sich stattdessen dem Schweizer ausliefert. Oder Morris, Zoes Freundin in der Vergangenheit, die ihr zur Seite steht und durchaus für einige lichte Momente sorgt. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und wirken durch die geringe Schwarz-Weiß-Zeichnung äußerst lebendig.
Neu ist bei "White Horse", dass die Protagonistin tatsächlich etwas mit dem Niedergang der Menschen zu tun hat. Zwar hat sie es nicht ausgelöst, aber bei der Entwicklung spielte sie eine große Rolle - und sie war eine der ersten, die es bemerkte. In den Rückblicken erfährt man nach und nach, wie es dazu kam und vor allem, wer für das Ganze verantwortlich ist. Das Motiv dafür war für mich allerdings arg weit hergeholt und geradezu unverständlich - ein paar mehr Erklärungen wären hier schön gewesen. Ansonsten aber ist die Weise, in der die Informationen gegeben werden, perfekt gewählt, denn so sind die Details nicht geballt, sondern fließen perfekt ein. In der Vergangenheit lernt man nicht nur Nick kennen, mit dem die Protagonistin eine sanfte und komplett unkitschige Liebesgeschichte verbindet, sondern auch ihre Familie und ihre Freunde.
Allerdings fällt eines auf: Nicht nur im Damals, sondern auch auf ihrer Reise, sterben unglaubwürdig viele der Menschen, die Zoe kennen lernt. Dass es die dahinrafft, die von der Krankheit betroffen sind, ist klar. Dass aber so viele Personen durch andere Dinge im Laufe der Handlung getötet werden - sodass man es schon fast voraussagen kann - war für mich nicht ganz nachvollziehbar. Dafür jedoch versteht Alex Adams es wunderbar, den Leser zu fesseln und ihm immer wieder den Atem stocken zu lassen. Die zu Monstern mutierten Menschen kommen selten vor, sind eher eine im Hintergrund lauernde Bedrohung - aber auch hier wird klar, dass nicht alles so ist wie es scheint. Dass die Krankheit nicht immer zu Unmenschen macht. Und so kann auch das Ende mit einem überraschenden Detail vollständig überzeugen - erschreckend und gut. Gelungen eben.
FAZIT
"White Horse" kann im Grunde als alleinstehende Dystopie betrachtet werden. Trotzdem freue ich mich auf Band 2, denn von dieser Welt würde ich gern mehr lesen. Alex Adams hat glaubwürdige Charaktere in allen Schattierungen geschaffen und weiß sowohl zu fesseln als auch zu schockieren. Nur die vielen unnötigen Tode und das Motiv für das Auslösen der Seuche fand ich etwas enttäuschend, daher ein Punkt Abzug. Ganz sicher aber einer der besseren Endzeit-Romane! 4 Punkte.
Titel: White Horse
Originaltitel: White Horse
Autor: Alex Adams
Übersetzer: Birgit Reß-Bohusch
Verlag: Piper
Seitenzahl: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3492702522
Uh, schöne Rezension. Ist das Buch echt sehr düster? Hoffentlich ist das da dann was für mich :x
AntwortenLöschenAch, probieren geht über studieren, oder so ;)
Neugierig bin ich auf jedenfall!
Liebe Grüße
Lisa
@Lisa:
AntwortenLöschenAlso düster ist das Buch schon, es geht aber sicherlich auch düsterer. Die Atmosphäre hier ist sehr kribbelig und geheimnisvoll, was wohl vor allem den Roman ausmacht. Ich kann es dir nur empfehlen ;) Aber du erhältst es ja sowieso demnächst - da wünsche ich dir schon mal viel Spaß!
Grüß Dich, Sonne!
AntwortenLöschenStimmt auffallend - das Cover weiß einen spontan für die Figur zu interessieren.
Die Welt liegt reichlich danieder nach einem solchen Genozid. Da ist der Weg von Amerika nach Europa ein ziemlicher Anspruch an die Ausdauer. Linienflüge wird es ja wohl nicht mehr geben.
Die Story an sich ist durchweg interessant - zumal mit der schwangeren Protagonistin die Hoffnung unterwegs ist.
bonté
@RoM:
AntwortenLöschenDer Weg von Amerika nach Griechenland ist tatsächlich beschwerlich - allerdings gibt es tatsächlich für Blut oder andere Dinge noch Flüge. Woher der Treibstoff kommt ist mir allerdings ein Rätsel...
Vielleicht wäre das Buch ja auch was für dich? ;)
Und schon wieder machst du mich neugierig! Ich denke "White Horse" werde ich mal genauer im Blick behalten - die Story klingt einfach zu gut & aufregend. Wobei es natürlich schon schade ist, wenn der Grund des ganzen Übels + die zahlreichen Tode doch etwas übertrieben/unpassend dargestellt werden. Aber ich bin sehr gespannt WAS es ist und WIE das alles passiert. Somit wandert´s rauf auf die WuLi und ich danke für die tolle wie aussagekräftige Rezi! Hat sich doch mal wieder geloht, bei dir vorbeizuschauen. :)
AntwortenLöschenLG, Reni
@Reni:
AntwortenLöschenAlso manche konnte die Auflösung/der Auslöser/der Grund für die Seuche schon überzeugen. Vielleicht lag es auch nur an mir ;) Aber ich fand das etwas verwirrend und weit hergeholt - ich könnte jetzt auch nicht sagen, was du dazu sagen würdest...Meiner Meinung nach ist das Werk aber durchaus lesenswert und ich würde schätzen, dass es dir insgesamt ebenfalls gefallen würde! Spannend und durchdacht ist es auf jeden Fall.
Und danke dir für das Kompliment :)