[Buchrezension] Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes
Als ich mich hinunterbeugte, um das Kabel aufzurollen, bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung und zuckte mit einem leisen Schrei zusammen. Will Traynor war an der Tür und beobachtete mich.
"Courchevel. Vor zweieinhalb Jahren."
Ich wurde rot. "Entschuldigung. Ich habe nur..."
"Sie haben nur meine Fotos angeschaut. Haben sich gedacht, wie schrecklich es sein muss, so zu leben und dann zum Krüppel zu werden."
"Nein." Noch mehr Blut schoss mir ins Gesicht.
"Meine übrigen Fotos sind in der untersten Schublade, falls Sie mal wieder die Neugier überkommt", sagte er.
Und dann drehte er sich mit dem Summton seines Rollstuhlmotors rechtsherum und verschwand.
Louisa Clark wohnt mit 26 Jahren noch bei ihren Eltern, hat einen schlecht bezahlten Job in einem Café, einen Sportfanatiker zum Freund, und in ihrem Leben eigentlich noch nichts erreicht. Als sie ihre Arbeit verliert, muss sie sich zwangsläufig eine neue Stelle suchen - und die einzige, die für sie in Frage kommt, ist die als Pflegehilfe bei dem im Rollstuhl sitzenden Will Traynor. Die beiden verstehen sich zu Anfang gar nicht. Doch mit der Zeit beginnen sie sich aneinander zu gewöhnen. Und zeigen sich schließlich gegenseitig die Möglichkeiten auf, die sie in ihrem Leben haben...
MEINE MEINUNG
Jojo Moyes nimmt sich in ihrem Debütroman "Ein ganzes halbes Jahr" eines schwierigen und - besonders in Liebesromanen - nicht oft verwendeten Themas an, nämlich dem der Behinderung und dem Umgang damit. Die nicht davon betroffene Lou erzählt die Geschichte dabei aus der Ich-Perspektive, wobei sie ein paar Mal von einem anderen Berichterstatter abgelöst wird. Der Schreibstil der Autorin ist sehr einfühlsam und durchzogen von wunderschönen Beschreibungen und Formulierungen, die sich jedoch nie in den Details oder Fakten über die Behinderung verlieren.
Lou ist eine sympathische Protagonistin, in die man sich sofort komplett hineinversetzen kann. Ihr interessanter Modegeschmack und ihre freundliche, witzige Art machen sie interessant, in einigen Belangen ist sie jedoch sehr gehemmt und im Bezug auf ihr eigenes Leben weiß sie lange Zeit nicht recht, was sie eigentlich will. Im Laufe der Handlung macht sie eine deutliche Entwicklung durch und wird zu seinem Menschen, der für seinen Traum kämpft. Will Traynor dagegen ist ein sarkastischer und zynischer Mann, was man ihm bei seinem Leiden kaum verdenken kann. Er stößt andere weg und ist am liebsten für sich allein. Dies ändert sich jedoch, als er und Lou sich näher kommen - sodass er einem mit der Zeit immer lieber wird, bis man ihn am liebsten selbst nie wieder gehen lassen würde.
Aber auch die Nebencharaktere sind so gut ausgearbeitet, dass man bei jedem einzelnen schon nach wenig Zeit das Gefühl hat, ihn persönlich zu kennen. Da sind Wills verzweifelte Eltern, die alles tun für ihren Sohn und sich über die Trauer hinweg selbst nicht mehr ansehen können. Oder Louisas Eltern, einfache Menschen, die es oft gerade so schaffen, über die Runden zu kommen, die jedoch auf ihre eigene Weise immer für alle Familienmitglieder da sind. Ihre intelligente Schwester, in deren Schatten sie schon immer stand. Oder auch Nathan, Wills Pfleger, der auf seine witzige und sympathische Weise alles zusammenhält. Die Figuren sind toll gezeichnet und allesamt einzigartig, was die Besonderheit des Werkes noch unterstreicht.
Denn eines ist "Ein ganzes halbes Jahr" wirklich, nämlich, ich wiederhole mich, besonders. Zwar vielleicht nicht von der Grundidee her, die sehr an "Ziemlich beste Freunde" erinnert, aber dann auf jeden Fall vonseiten der Umsetzung. Diese ist feinfühlig und mitreißend, die einzelnen Komponenten tragen dazu bei, dass man mit dem Lesen überhaupt nicht mehr aufhören will und die emotionalen Momente - ob nun tragisch oder fröhlich - laden zum Mitfühlen ein. Die Liebesgeschichte entwickelt sich dabei extrem langsam, aber im genau richtigen Tempo, und wird niemals zu aufdringlich oder gar kitschig.
Denn im Vordergrund steht doch die Suche nach sich Selbst, das Finden des eigenen Glücks und die Frage: Ist es ein Leben, wenn man in diesem Leben praktisch nichts selbst ausführen kann? Der Autorin gelingt es mit der Wortgewalt ihrer Beschreibungen und ihrer Sensibilität im Bezug auf das gut recherchierte Thema, den Leser immer wieder zum Nachdenken anzuregen - besonders zum Ende hin. Dieses lässt dann sicherlich auch kein Auge trocken und ist noch einmal so mitnehmend, dass man am liebsten aufhören und von vorn anfangen würde, um den Abschied von den Charakteren hinauszuzögern. So oder so hatte ich selbst am Ende das Gefühl, viele gute Freunde gefunden zu haben, die mir sicherlich noch lange erhalten bleiben werden.
Aber auch die Nebencharaktere sind so gut ausgearbeitet, dass man bei jedem einzelnen schon nach wenig Zeit das Gefühl hat, ihn persönlich zu kennen. Da sind Wills verzweifelte Eltern, die alles tun für ihren Sohn und sich über die Trauer hinweg selbst nicht mehr ansehen können. Oder Louisas Eltern, einfache Menschen, die es oft gerade so schaffen, über die Runden zu kommen, die jedoch auf ihre eigene Weise immer für alle Familienmitglieder da sind. Ihre intelligente Schwester, in deren Schatten sie schon immer stand. Oder auch Nathan, Wills Pfleger, der auf seine witzige und sympathische Weise alles zusammenhält. Die Figuren sind toll gezeichnet und allesamt einzigartig, was die Besonderheit des Werkes noch unterstreicht.
Denn eines ist "Ein ganzes halbes Jahr" wirklich, nämlich, ich wiederhole mich, besonders. Zwar vielleicht nicht von der Grundidee her, die sehr an "Ziemlich beste Freunde" erinnert, aber dann auf jeden Fall vonseiten der Umsetzung. Diese ist feinfühlig und mitreißend, die einzelnen Komponenten tragen dazu bei, dass man mit dem Lesen überhaupt nicht mehr aufhören will und die emotionalen Momente - ob nun tragisch oder fröhlich - laden zum Mitfühlen ein. Die Liebesgeschichte entwickelt sich dabei extrem langsam, aber im genau richtigen Tempo, und wird niemals zu aufdringlich oder gar kitschig.
Denn im Vordergrund steht doch die Suche nach sich Selbst, das Finden des eigenen Glücks und die Frage: Ist es ein Leben, wenn man in diesem Leben praktisch nichts selbst ausführen kann? Der Autorin gelingt es mit der Wortgewalt ihrer Beschreibungen und ihrer Sensibilität im Bezug auf das gut recherchierte Thema, den Leser immer wieder zum Nachdenken anzuregen - besonders zum Ende hin. Dieses lässt dann sicherlich auch kein Auge trocken und ist noch einmal so mitnehmend, dass man am liebsten aufhören und von vorn anfangen würde, um den Abschied von den Charakteren hinauszuzögern. So oder so hatte ich selbst am Ende das Gefühl, viele gute Freunde gefunden zu haben, die mir sicherlich noch lange erhalten bleiben werden.
FAZIT
Mit "Ein ganzes halbes Jahr" hat Jojo Moyes definitiv einen Volltreffer mitten ins Herz gelandet. Das Buch berührt, reißt mit und lässt lange nicht mehr los - die Charaktere, die Geschichte und die emotionalen Aspekte sind so wunderbar, dass man das Gesamtpaket einfach lieben muss. Ich bin begeistert und vergebe ganz klare 5 Punkte!
Mit "Ein ganzes halbes Jahr" hat Jojo Moyes definitiv einen Volltreffer mitten ins Herz gelandet. Das Buch berührt, reißt mit und lässt lange nicht mehr los - die Charaktere, die Geschichte und die emotionalen Aspekte sind so wunderbar, dass man das Gesamtpaket einfach lieben muss. Ich bin begeistert und vergebe ganz klare 5 Punkte!
Titel: Ein ganzes halbes Jahr
Originaltitel: Me Before You
Autor: Jojo Moyes
Übersetzer: Karolina Fell
Verlag: Rowohlt Polaris
Seitenzahl: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3499267031
Wow, das Buch klingt echt traumhaft gut! Wunderschön geschrieben, meine Liebe :)
AntwortenLöschenIch glaube, das rückt auf der Liste weiter hoch! Kriegt man richtig Lust, es sofort zu lesen :)
Super schön gemacht! Applaus! Oder so... ;)
Liebste Grüße :*
WUNDERSCHÖN, deine Review zum Buch! Ich kann dir - wie du sicherlich weisst - nur zustimmen und werde dieses Buch in Ehren halten. Schon eine ganz besondere Geschichte, von der ich eigentlich nichts erwartet habe (ich wusste vorab kaum, worum es geht) und ganz viel bekommen habe. Hoffentlich gibt es von der Autorin bald Nachschub hierzulande. Ich finde es übrigens auch klasse, dass du in deiner Rezi nicht direkt erwähnt/verraten hast, was es mit dem ganzen halben Jahr auf sich hat. Weil gerade das mich während des lesens emotional überrascht hat.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Reni
@Lisa:
AntwortenLöschenLisa, du bist so süß :D Danke dir, ich freu mich über dein Lob!
Und ich kann dir das Buch nur wirklich, wirklich empfehlen. Ich bin mir sicher, dass du es ebenso lieben wirst wie ich. Wie du weißt, leihe ich es dir auch gerne aus ;)
@Reni:
Oh, vielen Dank, da werde ich ja ganz verlegen ;) Bei deiner Rezension habe ich ja auch schon angemerkt, dass sich unsere Meinungen offensichtlich mal wieder absolut ähneln. Wobei ich zu dem Buch bisher auch noch keine enttäuschte Review gelesen habe. Ist eben einfach was ganz besonderes, berührendes und traurig-schönes.
Und ja, ich hab noch überlegt, ob ich schreibe, dass der Titel ganz wunderbar passt - aber dann dachte ich mir, dass es so auch reicht ;) Freut mich, dass ich es offenbar richtig gemacht habe, vielen Dank an dich! :D