[Buchrezension] Ghostman - Roger Hobbs
Ein Bentley Continental hat 560 PS, einen Doppelturbolader und eine Höchstgeschwindigkeit von rund 200 Meilen pro Stunde. Es versteht sich von selbst, dass der Wagen abhob, als ich Gas gab. Ich riss am Lenkrad, als wollte ich ihn rammen. Er geriet in Panik und schwenkte zur Seite, um mir zu entkommen, aber stattdessen prallte er gegen die Leitplanke an der Seeseite. Der Wagen taumelte eine Sekunde auf zwei Rädern voran, bevor das Metall nachgab und der Mercedes über die Kante schoss. Er überschlug sich einmal und landete klatschend in der Brandung.
Ich hielt am Straßenrand und stieg aus.
Nachdem der Überfall auf einen Casino-Geldtransport missglückt, ist der Einzige, der jetzt noch große Probleme mit der Polizei verhindern kann, ein Meister im Verschwinden, der sich selbst Ghostman nennt. Er muss das verlorene Geld suchen, bevor Farbpatronen darin explodieren - und denjenigen, der für das Schiefgehen des Coups verantwortlich ist. Doch dadurch legt er sich mit einem sehr mächtigen Mann an...
MEINE MEINUNG
Roger Hobbs "Ghostman" ist ein Gangster-Roman durch und durch, und nutzt dabei eine interessante Erzählweise: Zwar erzählt sein Protagonist aus der Ich-Perspektive, seine kompletten Hintergründe oder auch nur den richtigen Namen erfährt man jedoch nie. Der Schreibstil ist dabei distanziert, kühl und abgeklärt, was zwar absolut zur Art der Geschichte und zur Figur passt, jedoch für den Leser auch sehr ungewohnt ist und einen zwischenzeitlich die Nähe vermissen lässt.
Denn der Ghostman ist kein Charakter, der andere an sich heran lässt. Er lebt für die gefährlichen Jobs und deren Nervenkitzel, andere Menschen interessieren ihn kaum bis gar nicht. Dabei mordet er nicht gern, aber wenn es sein muss, tut er es mit einer kaltblütigen Gleichgültigkeit, die einen als Leser doch manchmal gruselt. Langweilig ist nur, dass der Mann leider absolut der Beste ist, das letzte Mal vor 5 Jahren einen Fehler begangen hat, und ansonsten für alles eine Lösung hat. So ist er zwar ein cooler Hund, aber definitiv zu wenig menschlich. Die anderen Figuren werden wenig charakterisiert, und wenn, dann eher in Stereotypen - der skrupellose Gangsterboss; die schlaue FBI-Agentin etc. -, sie nehmen aber überwiegend auch keine großen Rollen ein.
Eines muss man Roger Hobbs lassen: Er versteht sein Handwerk und hat definitiv Ahnung von den Dingen, von denen er hier schreibt. So erfährt man einiges über kriminelle Machenschaften, über Waffen, Pläne und Raubüberfälle. Ob das nun alles der Wahrheit entspricht, kann ich nicht beurteilen, es lässt den gesamten Roman aber sehr authentisch wirken durch die gut eingebauten Beschreibungen. Das Problem ist nur, dass diese oftmals ein Stück weit zu ausführlich geraten - der Autor scheint sich in seinen Ausführungen zu verlieren und kommt nicht auf den Punkt, was mitunter und besonders bei sich häufendem Auftreten etwas ermüdend ist. Außerdem gibt es an der ein oder anderen Stelle kleine Logikfehler, der Ghostman wirkt ein wenig zu penibel dafür, dass er sowieso für alles einen Plan hat und er außerdem gar keine Spuren hinterlassen kann, und nach wirklich jedem einzelnen Telefongespräch werden Sim-Card, Akku und Handy zerstört, was mir nach der fünften Erwähnung glatt ein wenig auf die Nerven ging.
Aber dennoch: Der Roman ist spannend, und so unterhält er auch die meiste Zeit durchweg durch einen Wechsel von Gesprächen, Spurensuche und Action-Szenen. Es gibt einige Tote und einiges an Blut, dies wird aber nicht übertrieben ausgeweitet, sondern gehört zum Geschäft. Interessant ist außerdem der zweite Handlungsstrang, der 5 Jahre zurückliegt und von einem anderen Raub handelt, an dem der Ghostman selbst beteiligt war, und dessen Durchführung und Folgen nach und nach aufgedeckt werden. Auf diese bleibt sich das Buch bis zum Schluss treu, konzentriert sich darauf, aufzudecken, was bei beiden Überfällen schief lief und wie der Ghostman sich da wieder herauswindet. Letztendlich hält das Ganze also, was es verspricht: Unterhaltung pur.
FAZIT
"Ghostman" ist sicherlich kein Meilenstein in der Literatur, Roger Hobbs gelingt es jedoch, den Leser durch überraschende Wendungen und spannende Details aus der Gangster-Szene bei Laune zu halten. Es gibt ein paar Logikfehler, dem Protagonisten kommt man nie richtig nah [auch wenn das sicherlich gewünscht ist], und manchmal wird der Roman ein wenig langatmig - insgesamt erlebt man damit jedoch ein paar interessante Stunden. Knappe 3,5 Punkte von mir.
Titel: Ghostman
Originaltitel: The Ghostman
Autor: Roger Hobbs
Übersetzer: Rainer Schmidt
Verlag: Goldmann
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3442313372
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