Back Down to Earth


[Buchrezension] Vor uns das Leben - Amy Harmon

Angie sagte oft, dass Baileys Krankheit wenigstens in einem gnädig gewesen war: Sie war bereits im frühen Kindesalter aufgetreten und hatte das Kind seiner Unabhängigkeit beraubt, bevor es sie je ganz besessen hatte. Ganz anders als bei Menschen, die als Erwachsene bei einem Unfall gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt wurden und genau wussten, was sie verloren hatten. Wie sich Unabhängigkeit anfühlt.
Ambrose wusste, wie es war, gesund zu sein, perfekt zu sein - ein Held wie Herkules. Wie grausam war es, plötzlich aus solcher Höhe zu fallen? Das Leben hatte Ambrose ein neues Gesicht gegeben und Fern fragte sich, ob er je in der Lage sein würde, es zu akzeptieren.

INHALT
Die Schulzeit ist vorbei und von nun an beginnt das echte Leben - das wissen sowohl die unscheinbare Fern und der im Rollstuhl sitzende Bailey, als auch ihrer beider Idol Ambrose. Doch Ambrose, perfekt, umjubelt, beliebt, wird den Gedanken nicht los, dass er nicht das tun sollte, was alle von ihm erwarten. Also entschließt er sich, Soldat zu werden, gemeinsam mit seinen vier besten Freunden. Und als er zwei einhalb Jahre später wieder kommt, ist nichts mehr wie zuvor. Ein schockierendes Ereignis hat nicht nur ihn in tiefe Trauer fallen lassen, sondern die gesamte Stadt. Und da scheinen plötzlich Fern und Bailey diejenigen zu sein, die ihm wieder Lebenswillen geben können...

MEINE MEINUNG
Amy Harmons "Vor uns das Leben" ist wie viele andere Liebesromane für Jugendliche auch: Da verlieben sich zwei junge Menschen, obwohl keiner von beiden dies je für möglich gehalten hätte, es gibt ein bisschen Drama und ein paar traurige Hintergründe, und fertig ist die Kiste. Was aber auf den ersten Blick ein wenig klischeehaft wirkt, ist es hinterher im Großen und Ganzen dann gar nicht: Denn hier wird auch eine Geschichte von Krankheit, Tod und Freundschaft erzählt, die sehr zu berühren weiß. Die Perspektiven der drei Protagonisten wechseln sich dabei immer ab, sodass man in jeden einen guten Einblick erhält.

Fern ist allerdings diejenige, die man am besten kennen lernt. Sie ist eine eher schüchterne, kleine und aufopferungsbereite junge Frau, die immer im Schatten ihrer schönen Freundin stand und wenig Selbstbewusstsein entwickelt hat. Zwar plagen sie auch im Verlaufe der Handlung noch Zweifel, sie wird jedoch deutlich mutiger, wenn sie auch nie ihre Hilfsbereitschaft verliert. Ambrose war immer der Schönling, der alles konnte, und muss sich nun mit seinem veränderten Aussehen abfinden. Die Schuld, die er auf sich geladen hat, wiegt bei ihm jedoch sehr viel schwerer, was ihn sympathisch macht. Er ist anfangs eher wütend und kühl, doch nach und nach kommt auch seine sanfte Seite zum Vorschein. Und Bailey ist ein bezaubernd fröhlicher Charakter, der sich von seiner Krankheit nicht unterkriegen lässt - aber auch Momente des Hasses auf die Welt erlebt. Sie alle haben so ihre Klischees, wissen aber auch eigene Züge zu entwickeln, genau wie die größtenteils sympathischen Nebenfiguren. Nur Becker war mir zu stereotyp, als hätte die Autorin auf Gedeih und Verderb noch eine böse Figur einbauen wollen.

Natürlich steht die Liebesgeschichte von Fern und Ambrose im Vordergrund. Diese beginnt allerdings nicht nur sehr spät [jedenfalls beiderseitig], sondern die wirkliche, echte Zuneigung der beiden entwickelt sich auch langsam und glaubwürdig, sodass man gern mit ihnen mitfiebert. Zudem sind beide nicht solche Schönheiten, wie sie oft in solchen Büchern auftreten: Fern hat sich zwar über die Jahre gut entwickelt, ist aber immer noch nicht richtig hübsch, und Ambrose muss nach seinem Einsatz als Soldat mit vielen Narben leben. Grade das macht das Ganze so besonders: Denn es wird deutlich, dass es nicht auf das Äußere ankommt. Da passt auch Bailey gut hinein, der an Muskeldystophie leidet und daher im Rollstuhl sitzt. Er ist es, der den beiden immer wieder Mut macht, ihr Leben zu leben, weshalb man ihn sehr gerne selbst als Freund hätte.

Natürlich gibt es auch viel Drama, Herzschmerz und sogar Probleme mit einem gewalttätigen Ehemann. Besonders bei letzterem hat man ein wenig das Gefühl, dass der Aspekt mehr oder weniger des Effekts mit eingebaut wurde, dennoch geht die Autorin aber auch hier recht einfühlsam damit um. Das Ende setzt in Sachen Emotionen natürlich noch einmal einen drauf und lässt einige der Figuren stark leiden, aber auch der Zusammenhalt der verschiedenen Familien wird deutlich. Außerdem gibt es das mitreißende und berührende Drama auf andere Weise als erwartet, wodurch ein wenig die Klischees umschifft werden. Und auch wenn ich keine Tränen vergossen habe, war ich doch etwas ergriffen - und hätte definitiv noch etwas länger meine Zeit mit Ambrose und Fern verbringen können.

FAZIT
Ein Roman, der nicht frei von Klischees ist, mit seinen wie aus dem Leben gegriffenen Szenen und den Thematiken rund um Familie, Freundschaft und Zusammenhalt aber dennoch zu berühren weiß - das ist Amy Harmons "Vor uns das Leben". Das Buch lässt einen einige wunderbare Lesestunden erleben, weswegen ich gerne 4 Punkte vergebe. Empfehlenswert!



Titel: Vor uns das Leben
Originaltitel: Making Faces
Autor: Amy Harmon
Übersetzer: Corinna Wieja, Jeannette Bauroth
Verlag: Egmont INK
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3863960735


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Die Bloggerin

Kittyzer, 22 Jahre alt, früher als Sonne bekannt. Gebürtige Niedersachsin, die für die Arbeit nach Rheinland-Pfalz gezogen ist. Schreibt über Bücher, Filme, Serien und Mainz. Um mehr zu erfahren, → klicke hier

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