[Buchrezension] Das Institut der letzten Wünsche - Antonia Michaelis
Am Ende fühlte sich Mathildas Mund gleichzeitig verklebt an von Süße und verbrannt von unerwarteter Schärfe, und sie war dankbar, als Birger den Ober fragte, ob sie noch etwas Wasser bekommen könnten. Der Ober betrachtete die leere Karaffe. "Das", sagte er, "war das Blumenwasser. Für Ihren Strauß. Wir benützen diese Sorte Karaffen gewöhnlich nur für Blumen."
Die vertrauensvolle und verträumte Mathilda arbeitet seit einem Jahr im "Institut der letzten Wünsche", wo sie glaubt, ihre perfekte Arbeit gefunden zu haben: Sie kann sterbenden Menschen helfen, noch einmal etwas Außergewöhnliches und Schönes zu erleben. Gemeinsam mit ihrer Chefin Ingeborg konnte sie so schon manchem den drohenden Tod erleichtern. Doch dann, eines Tages, betritt Birger das Institut. Birger, der immer aussieht, als wäre er gerade in einen Sturm geraten; Birger, der bald sterben wird - und der Mathilda sofort fasziniert. Doch er sucht eine andere Frau, die Mathilda nun wider Willen finden muss. Und dabei entdeckt sie unerwartet verschiedene Arten von kleinem und großem Glück...
MEINE MEINUNG
Antonia Michaelis ist größtenteils bekannt für ihre düsteren Jugendthriller voller menschlicher Abgründe und unterschiedlicher Figuren. "Das Institut der letzten Wünsche" ist dagegen ein Roman, der sowohl von den Freuden als auch den Leiden des Lebens erzählt. Die skurrilen Figuren und Situationen sind aber trotzdem zahlreich vorhanden, worin man ganz schnell die der Autorin eigene metaphern- und detailreiche Handschrift erkennt, die voller Überraschungen steckt.
Mathilda ist eine Protagonistin, die man sehr schnell ins Herz schließt, weil sie ihr eigenes Wohl nie über das anderer stellt. Sie gibt gern und viel, und auch wenn ihre träumerische Art manchmal etwas anstrengt, überwiegt ihre Liebenswürdigkeit bei weitem. Birger passt da sehr gut zu ihr, denn auch er ist jemand, der gerne die Menschen in seiner Umgebung glücklich macht. Da er aber auch für sich auf der Suche nach Zufriedenheit ist, belügt er sich immer wieder selbst, was ihn sehr menschlich erscheinen lässt. Nebenfiguren wie Mathildas Chefin Ingeborg mit harter Schale und weichem Kern, oder wie die zerbrechliche Ewa und der tatkräftige Jakob, Kunden des Instituts, sind ebenfalls wunderbar ausgearbeitet und vermitteln große Freude beim Lesen. Dabei gelingt es der Autorin, auch schwierige Charaktere wie Kilian und Doreen ihren Weg finden zu lassen und einem für sie immer wieder einen Funken Sympathie zu entlocken.
Der Anfang des Romans ist noch etwas schleppend, weil in Mathildas Leben und ihre vielen Eigenarten, sowie ihre Arbeit im Institut eingeführt werden muss. Kurz danach beginnt die Geschichte aber zu fesseln, als Birger das Büro betritt und die junge Frau mit seiner stürmisch-sanften Art sofort in den Bann zieht. Schön ist, dass sich Mathilda trotz ihrer Liebe zu diesem sterbenden Mann nicht in etwaigen Egoismus verrennt, sondern sich ganz ernsthaft an die Suche macht, um zwei Menschen das Glück zu ermöglichen. Auch wird sich nie zu sehr auf die Liebesgeschichte zwischen den beiden konzentriert, denn viel mehr geht es darum, so viele Menschen wie möglich glücklich zu machen - und genau das vollbringt das Institut. Die teilweise unmöglichsten Wünsche werden auf sehr originelle Art und Weise umgesetzt - ob nun eine Reise ans Mittelmeer an der Ostsee statt findet oder die Opernsängerin Maria Callas für ein letztes Konzert wiedererweckt wird, als Leser freut man sich immer auf den nächsten Wunsch und seine Erfüllung.
Natürlich lebt das Buch teilweise auch von seinen Zufällen, die immer wieder die Handlung vorantreiben und die man nicht alle glauben muss. Aber weil sie so gut und glaubwürdig mit der restlichen Handlung verwoben werden, stören sie im Grunde kaum, und manche werden sogar sehr gut erklärt. Genauso wie der Roman sich nicht nur mit den Themen des Sterbens und Loslassens beschäftigt, sondern auch mit der Kritik an den Maßnahmen des Instituts - das eben, um die Klienten noch einmal Glück erleben zu lassen, einigermaßen riskante Unternehmungen startet. Hier lässt die Autorin durchaus Vertreter beider Meinungen zu Wort kommen: Ist es Sterbehilfe oder ein letzter Akt der Autonomie für die Sterbenden? Hier regt der Roman wunderbar zum Nachdenken an, das auch nach dem berührenden, traurigen und gleichzeitig schönen Schluss noch anhält.
FAZIT
Antonia Michaelis behandelt in ihrem Erwachsenenroman "Das Institut der letzten Wünsche" nicht nur eine langsame und leise Liebesgeschichte, sondern auch viele Themen rund um das Leben und Sterben im Allgemeinen. Ihre Figuren sind gewohnt originell und liebenswürdig, und mit einer Menge Humor und wunderbaren Situationen lockert sie auch die ernsten Momente immer wieder auf. Ein besonderes Werk für besondere Lesestunden! 4 Punkte.
Titel: Das Institut der letzten Wünsche
Originaltitel: -
Autor: Antonia Michaelis
Übersetzer: -
Verlag: Droemer Knaur
Verlag: Droemer Knaur
Seitenzahl: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-65365-4
Ach das hört sich super an. Ich muss erst noch "Solange die Nachtigall singt" zuende lesen (leider tu ich mich damit etwas schwer), aber danach wandert das hier bestimmt auf meine Liste, das hört sich ganz nach meinem Geschmack an. Antonia Michaelis' Stil mag ich ja auch sehr.
AntwortenLöschen"Solange die Nachtigall" singt ist etwas anders und hat vielen nicht gefallen - mir gerade wegen dieser Düsternis des Waldes und dieser Abhängigkeit der Figuren zueinander. Aber es ist gewöhnungsbedürftig, also kann ich dich da gut verstehen.
Löschen"Das Institut der letzten Wünsche" ist da viel leichter, aber ähnlich skurril. Ich würde aber sagen, dass dir das gut gefallen wird - und ich hoffe natürlich, dass du, solltest du es tatsächlich lesen, ebenso viel Freude daran hast wie ich ;)
Tena koe, Sonne.
AntwortenLöschenRein vom Ausgangspunkt des Plots klingt es nach einer etwas lockereren Annäherung an den Tod, als die Realität eines Hospitzes.
Wenn ich richtig herum verstehe, organisiert das Institut auch den Freitod - mit der Erfüllung des letzten Wunsches. Ein Hauch "Soylent Green" quasi.
Anmerkenswert, daß sich die Autorin um die Aspekte der jeweiligen Akzeptanz kümmert. In der akruellen Debatte der Gesellschaft(en) wird ja schneller die Keule "Euthanasie" geschwingen als man/frau zu blinzeln vermag.
Momentan bin ich schwer gefesselt von der Serie "Broadchurch" - gesehen?!
bonté
Einerseits wird sich dem Thema Tod tatsächlich recht leichtfüßig genähert, andererseits wird sich aber auch stark mit den Folgen für alle Beteiligten auseinander gesetzt - von daher wird das Ganze zum Glück nicht auf die leichte Schulter genommen ;)
LöschenUnd der Freitod in dem Sinne wird nicht organisiert - das ist schließlich verboten. Aber die beiden Frauen ermöglichen den Menschen Dinge, die sie hinterher möglicherweise umbringen, zum Beispiel das Zelten im Freien, das zu einer Lungenentzündung führt.
Und die ausdifferenzierte Auseinandersetzung war es auch, was mir so gefallen hat!
"Broadchurch" hat mir ansonsten auch sehr gefallen und ich bin grade mittendrin in der englischen 2. Staffel. Finde ich total klasse gemacht!
Ohh, ich hab mich da fuer eine Buchverlosung beworben, aber es hat nicht geklappt :( Wie es sich anhoert, werde ich mir das Buch wohl so besorgen :)
AntwortenLöschenganz liebe gruesse!
Wie schade, dass es bei der Verlosung nicht geklappt hat - war das etwa die auf der Verlagsseite? ;) Da hatte ich auch mitgemacht, aber leider ebenfalls kein Glück.
LöschenIch hoffe sehr, dass du es dir trotzdem zulegst, es lohnt sich nämlich sehr!