[Buchrezension] All die verdammt perfekten Tage - Jennifer Niven
Ich schlinge die Bettdecke um mich, so eng ich kann, ziehe sie über meinen Kopf, damit ich mein Zimmer nicht mehr sehe, und lege mich - eingewickelt wie eine Mumie - aufs Bett. So kann ich die Wärme und das Licht bei mir behalten, damit sie mir nicht entwischen. Ich schiebe eine Hand durch die Öffnung und hole mir ein Buch. Dann noch eins. Was wäre, wenn das Leben so sein könnte? Nur die schönen Teile, nichts von den Schrecken, nicht einmal die geringste, irritierende Kleinigkeit. Was, wenn wir das Schlechte ausschneiden und nur das Gute behalten könnten? Das ist es, was ich mit Violet machen will: Ich will ihr das Gute geben und das Schlechte von ihr fernhalten, damit wir nur von Schönheit umgeben sind.
Auf dem Glockenturm ihrer Schule begegnen sich Violet Markey und Theodore Finch, die bisher nie etwas miteinander zu tun hatten und aus völlig verschiedenen Welten stammen: Sie kommt aus einer guten Familie und ist eine der beliebtesten Schülerinnen, er ist das Problemkind und gilt als Freak. Verbunden sind sie jedoch in ihrem Schmerz über Ereignisse in ihrem Leben. Und so retten sie sich gegenseitig vor dem Sprung in die Tiefe und können fortan nicht mehr ohne einander. Doch während er ihr hilft, ins Leben zurückzufinden, verliert er immer wieder seine Balance...
MEINE MEINUNG
Ein Roman über bipolare Störungen, Schuldgefühle und Suizidgedanken - das klingt erst einmal abschreckend, bedrückend und traurig. Teilweise ist es das auch, natürlich, denn die Themen sind wichtig und erfordern einiges an Sensibilität. Jennifer Niven gelingt es in ihrem Roman "All die verdammt perfekten Tage" jedoch auf besondere Weise, die düsteren Aspekte mit viel Licht und Fröhlichkeit zu verbinden, ohne dabei den Fokus aus den Augen zu verlieren. So ist nicht nur ein berührendes Werk entstanden, sondern auch ein sehr liebenswertes. Erzählt wird es abwechselnd aus der Ich-Perspektive der beiden Hauptfiguren, deren Denkweise man so sehr gut kennen lernt.
Finch ist ein Protagonist, den man von der ersten Seite an ins Herz schließt - nicht nur wegen seiner witzigen, frechen Art, sondern auch wegen seiner Verletzlichkeit und dem Wunsch, denjenigen, die er liebt, zu helfen. Man freut sich mit ihm über die kleinsten Dinge, leidet aber auch genauso wie er in seinen dunklen Phasen. Sich mit Violet zu identifizieren ist anfangs etwas schwieriger, weil sie stark in ihrem Schmerz über den Tod ihrer Schwester gefangen ist und da auch nicht herausgeholt werden will. Doch die Probleme mit ihr legen sich nach kurzer Zeit, als klar wird, dass sie nicht so klischeehaft ist wie sie sich gibt, und auch sie durchaus witzig sein kann. Andere Figuren wie Finchs und Violets Familien oder ihre Freunde kommen leider viel zu selten vor, können dafür aber mit ihrer Unterschiedlichkeit punkten.
Nach dem ersten dramatischen Kennenlernen der beiden Protagonisten und ihrer Annäherung, erweckt die Geschichte anfangs den Anschein einer relativ normalen Liebesgeschichte zwischen zwei Jugendlichen, abgesehen davon, dass Finch offener und deutlicher als jeder andere Violets Probleme mit dem Tod ihrer Schwester anspricht. Über lange Zeit versucht hauptsächlich er ihr zu helfen, und es wird einem ganz warm ums Herz, als sie beginnt, ihm zu vertrauen und sich zu öffnen. Über Finchs lebenslustige und zärtliche, aber auch ehrliche Art droht man immer wieder zu vergessen, dass auch er mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat - obwohl diese sich an seinen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen und sich selbst immer wieder deutlich zeigen. Es ist einfach der schöne Gedanke, dass die beiden sich gegenseitig retten, der der nicht nur den Leser, sondern wohl auch die beiden blendet.
Mit der Zeit wird aber immer deutlicher, dass das allein nicht genügt, und Finch dringend professionelle Hilfe braucht. Es ist dramatisch zu beobachten, wie es Violet immer besser geht, während sich seine Spirale stetig abwärts dreht. Mit erschreckender Authentizität beschreibt Niven dieses Umschlagen der Stimmungen, das so typisch ist für biopolare Störungen, und das so gefährlich sein kann, sowohl in den manischen, als auch in den depressiven Phasen. Mit ihrer Entscheidung zum Ende hin macht sie da auch konsequent weiter, und nicht jedem wird das gefallen. Es kommt auch tatsächlich ein wenig plötzlich, führt Finchs Charakter und seine Art, Dinge anzugehen, aber auch sehr glaubwürdig weiter. So ist der Schluss ziemlich dramatisch und schwer zu verkraften, gibt aber auf besondere Weise auch Hoffnung - nämlich darauf, durch die Auseinandersetzung mit Problemen letztendlich stärker zu werden.
FAZIT
Jennifer Nivens "All die verdammt perfekten Tage" setzt sich mit bipolaren Störungen und Schuldgefühlen auseinander und nimmt sich beiden Themen sensibel wie auch ehrlich an - ohne dabei zu ernst und zu bedrückend zu werden. Es ist nicht alles perfekt, aber es kommt schon recht nah dran. 4,5 Punkte!
Titel: All die verdammt perfekten Tage
Originaltitel: All the Bright Places
Autor: Jennifer Niven
Übersetzer: Alexandra Ernst
Verlag: Limes
Seitenzahl: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3-8090-2657-0
ich hab ja so gehofft, dass du das rezensierst! :D
AntwortenLöschenNa, dann bin ich ja froh, dass ich deine Hoffnungen erfüllen konnte :D Kauf es dir!
LöschenNa, dann bin ich ja froh, dass ich deine Hoffnungen erfüllen konnte :D Kauf es dir!
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