[Buchrezension] Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen - Ulla Scheeler
"Ich...wollte dir eine Stelle vorlesen, aber jetzt kann ich mich nicht entscheiden."
"Lies auf der Seite, auf der du gerade bist."
"shall we
say years?
O let us say it, girl
to boy smiling while the moments kill
us gently and infinitely."
Die Momente töteten uns sanft und unendlich.
Ich ließ die Zeilen in der Luft hängen, bis sie im Zirpen der Heuschrecken zerfielen, und sagte: "Das ist wahr, oder?"
"Solche Sätze lassen mich daran glauben, dass die Menschen nicht komplett verrückt sind", sagte Ben.
Hanna und Ben sind schon so lange beste Freunde, dass sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann, ohne seine Geschichten, seine Graffitis und seine Undurchschaubarkeit. Als er sie darum bittet, fährt sie nach dem Abitur spontan mit ihm ans Meer, einfach nur so. Dort schlagen sie ihr Zelt auf, genießen die Landschaft, das Wetter und ihre Zweisamkeit. Bis sie Chloé kennen lernen, die ihnen eine schaurige Legende erzählt. Eine Legende, die sich immer mehr zu bewahrheiten scheint...
MEINE MEINUNG
Autorin Ulla Scheeler erzählt in ihrem ersten Roman von einer tiefen Freundschaft, einer ebenso tiefen Liebe, Missverständnissen und Schuldgefühlen. "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" lässt Hanna aus der Ich-Perspektive ihren Ausflug mit Ben erzählen und sie so zur guten Identifikationsfigur für den Leser werden. Der Schreibstil ist bildschön, voller Metaphern, ohne allzu stark zu übertreiben, und unglaublich atmosphärisch. Wäre die zweite Hälfte nicht gewesen - ich hätte das Buch lieben können.
Hanna ist eine starke Persönlichkeit, zwar oft unsicher und verletzlich, ebenso oft aber auch überraschend mutig und willensstark. Mit ihrer gewitzten Art begleitet man sie gerne, ihre starke Abhängigkeit von Ben und seinen Launen strengt jedoch auch an. Ben ist so ein Charakter, dem ich nicht so wirklich viel abgewinnen konnte: Egoistisch, eifersüchtig und gewollt geheimnisvoll wie er sich gibt, hatte ich oft das Gefühl, dass seine Freundin etwas Besseres verdient hat. Er hat zwar geniale Ideen und immer einen guten Spruch auf Lager, seine Arroganz macht ihn aber nur wenig sympathisch. Da gefielen mir Sam, den Hanna in einer Bar kennen lernt, und Chloé, die ihnen eine geheimnisvolle Legende erzählt, deutlich besser. Beide versuchen sich zu verstellen und scheitern damit, unter den Masken kommen spannende und originelle Persönlichkeiten zum Vorschein, von denen ich gern noch mehr gelesen hätte.
Die erste Hälfte des Romans mochte ich total gerne: Die geheimnisvolle Stimmung am Meer, die witzigen und glaubwürdigen Dialoge, die berauschenden Gefühle zwischen Hanna und Ben. Es passiert nicht wirklich viel, aber aufgrund der Chemie zwischen den beiden und Bens Verschwiegenheit bleibt das Ganze durchgehend spannend. Jedenfalls bis plötzlich das Drama überhand nimmt und eine nicht recht passende Wendung vieles für mich kaputt gemacht hat. Die Handlungen der Personen konnte ich nicht nachvollziehen und auch die Intensität hat schlagartig nachgelassen. Bis zum Schluss bleibt alles seltsam vage, wirkliche Antworten gibt es nicht, die Beweggründe ergeben keinen Sinn und erst recht nicht Hannas Reaktion auf die Geschehnisse. Zwar regt die letzte Szene durchaus zum Nachdenken an - wirklich zufrieden stimmt sie aber nicht.
FAZIT
Von der ersten Hälfte des Buches her hätte "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" eine großartige Lektüre für mich werden können - schon allein aufgrund von Ulla Scheelers atemberaubendem Schreibstil. Aber der Plottwist später hat mich leider gar nicht überzeugen können. Daher reicht es letztendlich nur für gute 3 Punkte.
Titel: Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen
Originaltitel: -
Reihe: Nein
Reihe: Nein
Autor: Ulla Scheeler
Übersetzer: -
Verlag: Heyne fliegt
Seitenzahl: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-27043-5
Liebe Sonne,
AntwortenLöschendas ist ja witzig, denn gerade heute habe ich meine Meinung zum Buch veröffentlicht. Und ich stimme mit dir ja sowas von überein. Ben hat mich teils richtig sauer gemacht, das Drama um seine Person und sein Egoismus (und vor allem seine "Aktion"!) gingen mal gar nicht. Hannas Reaktion darauf, das Ende, konnte ich null nachvollziehen. Dabei mag ich kantige Charaktere sehr gerne, aber nicht so. Chloé war dagegen super charakterisiert, wenn auch schwierig. Auch mit der Aussage der ständigen Herausforderung und des Nicht-normal-seins konnte ich wenig anfangen (I dare you), im Grunde ging es wahrscheinlich um Aufmerksamkeit. Mich hat das ganze Buch herausgefordert. Ich habe es auch mittelprächtig bewertet.
Grüße dich lieb,
Damaris
Auf deinen Kommentar hin habe ich mir deine Rezension auch mal angeschaut und finde das ja äußerst interessant, wie stark unsere Meinungen sich ähneln - uns ging es da ja tatsächlich ziemlich gleich. Hanna und ihr ständiges Vergeben habe ich auch einfach nicht verstehen und Ben mit seiner Art nicht wirklich leiden können. Ehrlich gesagt, hätte mir ein Buch um Chloé und Sam glaube ich besser gefallen :D
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